Nicht erwartete behördliche Schikane

 

Der Stadtspaziergang mit Nacktakzenten ist erst in der Altstadt bewilligt, wo es nicht viele Passanten hat. Die Nacktakzente in der belebten Innenstadt hat André Glauser, Abt. Öffentliche Sicherheit der Stadt Biel, abgewiesen. Er befürchtet hier, wo nur Fussgänger zirkulieren, eine „massgebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung“. Diese an den Haaren herbeigezogene Begründung ist irritierend, denn die Besprechungen mit André Glauser verliefen ansonsten offen, konstruktiv und kooperativ.

 

Eines der künstlerischen Ziele des „Stadtspaziergang mit Nacktakzenten“ ist es gerade, den üblichen Passantenfluss zu gewährleisten. Die Performance ist dann besonders geglückt, wenn die Passanten sich wie üblich verhalten, gar nicht oder nur kurz stehenbleiben, ihre alltäglichen Handlungen so selbstverständlich tun wie die Kunstnackten selbstverständlich ihre Handlungen tun.

 

Von einer „Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung“ und erst noch einer „massgeblichen“ kann aufgrund der künstlerischen Absicht und auch aufgrund der bisherigen Erfahrungen in anderen Nacktperformances in Stadträumen nicht die Rede sein. Ich habe beim Regierungsstatthalter Beschwerde eingereicht.

 

André Glauser sagt selber, es gebe im Kanton Bern kein Gesetz, das Nacktsein verbietet. Dann weist er darauf hin, dass in der Polizeiverordnung der Stadt Biel der übliche Passus betreffs „Verletzung von Anstand und Sittlichkeit“ nicht mehr enthalten ist. Dennoch bringt er diesen Passus in einer Stellungnahme zu Handen des Regierungsstatthalters wieder ins Gespräch als „Teilbegriffe der öffentlichen Ordnung“.

 

Nun liegt der Entscheid beim Regierungsstatthalter. Er ist noch nicht eingetroffen (Stand 25. April). Der unverständlichen behördlichen Schikane steht neben der unergiebigen Diskussion darüber, was denn Sitte und Anstand sei, viel gewichtiger noch das Grundrecht der Kunstfreiheit gegenüber. Dieses wird behauptet. An der Durchführung des Stadtspaziergang mit Nacktakzenten wird festgehalten.

 

Kunst und gerade performative Kunst im öffentlichen Raum ist in Mode gekommen. Es ist höchste Zeit, dass der nackte Körper, der drinnen im Kunstraum und im Theater gang und gäbe ist, auch den öffentlichen Raum draussen erobert und hier selbstverständlich und problemlos als künstlerisches Mittel eingesetzt werden kann, als Farbtupfer oder Kontrast oder performativ.

 

 

Die Antwort des Regierungsstatthalters

 

Die Beschwerde wurde abgewiesen. Der Regierungsstatthalter übernimmt in seiner Antwort die Argumentation und Sichtweise der Stadt Biel. Er ist "der Auffassung, dass Passanten die Anwesenheit unbekleideter Personen durchaus als belästigend empfinden könnten." Damit wird der Passus mit "Anstand und Sitte" in anderen Worten wieder hervorgeholt, denn im Ortspolizeireglement steht zwar nichts mehr von "Sitte und Anstand", aber "belästigende oder einschüchternde Benützung des öffentlichen Raumes" ist untersagt.  Offenbar belästigen zurückhaltend und mit künstlerischer Absicht gestaltete Nacktakzente.

 

Es wird sodann allen Ernstes behauptet, dass der Passantenfluss in den Fussgängerzonen gestört und damit die "öffentliche Ordnung massgeblich beeinträchtigt" würde.

 

Aktualisierung folgt.