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Bieler Tagblatt 05.08.2002

Thomas Zollinger: Expedition.02

Das ultimative Noniwänt

Annelise Zwez

Während 36 Tagen wandern Thomas Zollinger und wechselnde Begleitpersonen je 6 Stunden von Strassburg nach Sitten. Schweigend. Am 2. August machte die Expedition.02 Halt in Biel.

Während den 6 Stunden Stadt-Rundgang machte Thomas Zollinger am vergangenen Freitag auch einen Abstecher an den Rand der Expo.02 und blieb daselbst eine Weile stehen. An der Konzentration in seinem Gesicht hätte man das Besondere ablesen können, doch bemerkt hat das niemand. Kunststück: Sein Gehen und sein Stehen am Rande der «3000 Events in 159 Tagen» ist im Konzept der «Expedition.02» das «ultimative Noniwänt».

Eigentlich ist alles ein Nicht-Ereignis - «nur die Zivilschützer am Strassenrand und einige Männer im «Cécil» haben wir mit unserem 7- bis 8-mal im gleichen Schritt Wiederkehren irritiert», sagt eine der Mitgeherinnen nach der 6-stündigen Wanderung. Eine andere Geherin meint: «Noch nie habe ich so aufmerksam beobachtet, wie Menschen sich bewegen». Nur Mox, der Hund, zeigt mit seinen Sprüngen: 6 Stunden gehen ist doch nix. Zollinger - schon seit dem 16. Juli täglich 6 Stunden unterwegs - gibt ihm recht: «Das eigentliche Gehen ist die Erholung.»

Denn, so der Bieler Konzeptkünstler, ein «Noniwänt» ist so aufwändig wie ein Event und in der Realität ist nicht immer alles so wie auf dem Papier. Wenn auf der Wanderung von Strassburg entlang der grünen Grenze zwischen Frankreich und Deutschland Zöllner auftauchen und Papiere verlangen, müssen auch Kunst-Gehende die Stille aufbrechen und Auskunft geben. Und seit dem 31. Juli muss die Handy-Kommunikation in den Espace libre klappen, denn da kann man seither und bis zum 19. August hören, was der Künstler hört: Seine Schritte - auf Asphalt andere als auf Kies oder Waldboden - in Dörfern Stimmen von Menschen nebenan, vorbeifahrende Autos, vielleicht auch die Kirchenglocke, wenn es gerade Viertelnach, Halb oder Punkt ist.
Während 36 Minuten täglich gehen die Geräusche ferner ans Mischpult des Klang-Turmes. Und jede Stunde gilt es, mit dem Handy den Standort zu «fotografieren» und auf die Internetplattform zu übertragen.

Seit letztem Jahr schon ist Thomas Zollinger mit den Vorbereitungen beschäftigt. Nicht allein; Philipp Rodriguez und Andreas Thoth haben mitgeholfen, Sponsoren zu finden, die Logistik der Übernachtungen zu organisieren, Akzente zu setzen - zum Beispiel 36 Minuten gehen im leeren Banksafe des ehemaligen Bankvereins in Basel - ferner Begleiter/-innen zu finden, die Technik zu installieren usw.

Die künstlerische Konzeption freilich ist Thomas Zollingers Idee. «Die Ernsthaftigkeit, mit der er sein Konzept umsetzt, beeindruckt mich sehr», sagt Helen Fieramonte, die den Künstler während der ersten Wander-Woche begleitete. Die Idee hat mit Bewusstsein zu tun. So wie Duchamp einst einen Flaschtrockner ins Museum stellte, um neue Sichtweisen zu provozieren, so fragt auch Zollinger mit seiner Performance: Was ist gehen, was heisst schweigend gehen, was bedeutet die gemessene Zeit, die durchwanderte Strecke, wie ist sie wahrnehmbar, was sieht das Auge auf einer Stadtwanderung?

Einen beeindruckenden Akzent zum Bielertag von Expedition.02 leistete Katharina Vogel. Während der ganzen 6 Stunden markierte sie im Espace libre «tänzerische Präsenz». Wach und traumwandlerisch zugleich mass ihr Körper Raum und Zeit aus, nahm die Bewegungen der bei jeder Runde Ein- und Ausgehenden auf und bündelte sie zur Stille.
Bereits ist Thomas Zollinger wieder unterwegs; am Samstag gings durchs Seeland nach Siselen, wo gestern 36 Minuten stehen in der Galerie Regina Larsson anstand. Heute wandert er nach Murten, dann gehts weiter Richtung Sion, dem Ziel.